Früh morgens im Zug

An einem frühen Spätsommer Morgen hängt der Nebel tief über den Feldern, der den Horizont in milchig-verschwommenem diffus-pastelligem Licht erscheinen lässt. Aus dem Zugfenster blickend, fühle ich weder die Temperatur noch die Luftfeuchtigkeit, noch rieche ich den Geruch des erwachenden Lebens.

Die Bilder der Landschaft, die am Zugfenster vorbei ziehen, verwandeln sich vor meinem inneren Auge in Bilder vergangener Reisen. Bilder eines frühen morgens in Delhi oder Jakarta, Bilder, die sich nach dem Öffnen der schweren Vorhänge eines Hotelzimmers in mein Gedächtnis eingeprägt haben. Bilder von mit Bäumen gespickten Grossstädten, erfasst durch staubige Scheiben.

Das Summen der Klimaanlage und der Geruch feuchter Heimtextilien lassen mich erahnen, dass es hier schon frühmorgens schwül ist. Sobald ich mich dem Fenster nähere, fühle ich die Wärme, die durch die Scheibe ins Zimmer dringt. Ich habe Mitleid mit der Klimaanlage, die gegen die Hitze ankämpft, und stelle sie ab, um ihr eine Verschnaufpase zu gönnen. Augenblicklich steigt die Zimmertemperatur um einige Grad. Ich gebe die Klimaanlage wieder in Gang.

Berühre ich mit meiner Hand das Zugfenster, fühlt sich die Scheibe kühl an. Die Grossstadtbilder in meinem Kopf weichen den sanften Schweizer Mittellandhügeln. Die weissliche Morgensonne hat hier nicht die gleiche Kraft. Nach einigen Minuten löst sich auch der Morgennebel auf, verdunstet in der trockenen Luft, und ermöglicht einen klaren Blick auf ein Mosaik aus abgeernteten Getreidefeldern, taufrischen Wiesen, gepflügten Äckern und dichten Wälder.

Orte unterscheiden sich durch ihr Licht in dem sie zu unterschiedlichen Tageszeiten erscheinen, durch ihre Temperatur und durch ihre Luftfeuchtigkeit, die wiederum den Geruch, das ganz individuelle Parfum jedes Ortes mischen.

Leave a comment